Einsichtnahme in E-Mail-Konten ausgeschiedener Mitarbeitenden

orangefarbenes Hexagon mit einem weißen Textzettel in der Mitte und einem Häkchen COMPLIANCE,

Christian Werbik

VACE Business Consultant Compliance

E-Mail schreiben

Eine in der Datenschutzberatung immer wiederkehrende Frage ist: Dürfen E-Mail-Konten von Mitarbeitenden, etwa bei deren Ausscheiden, geöffnet und die E-Mails eingesehen werden?

 

Ohne Zweifel enthalten E-Mails eine Fülle an Personendaten u.a. vom ausgeschiedenen Mitarbeitenden. Vorausschicken muss man, dass es sich beim hier diskutierten Fall um betriebliche E-Mail-Konten handelt. Die versandten und empfangenen E-Mails sind in aller Regel beruflicher Natur. Eine Privatnutzung sollte aus der Sicht des Unternehmens stets (organisatorisch, d.h. mit Weisung) ausgeschlossen werden.

Artikel 6 Abs 1 litera f DSGVO (Datenschutz Grundverordnung) besagt, eine Personendatenverarbeitung sei rechtmäßig, sofern sie durch berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.

Das Unternehmen hat bei einem ausscheidenden Mitarbeitenden ein großes Interesse, etwa die Geschäftsbeziehung mit Kunden sowie innerbetriebliche Prozesse aufrecht zu halten. Die Erforderlichkeit liegt also auf der Hand, zumal E-Mail heutzutage das wesentliche Kommunikationsmittel darstellt.

Nimmt man nun eine Grundrechtsabwägung mit den Mitarbeiterinteressen vor, so wird man zum Ergebnis kommen, dass ein am Erwerbsleben teilnehmender Erwachsener mit der Einsichtnahme ins E-Mail-Konto rechnen muss. Er wird sein Verhalten danach ausrichten und von privaten Konversationen, Authentifizierung mit dem Unternehmenskonto bei Social Media und dergleichen Abstand nehmen.

Wiederholt sei erwähnt, dass es am Unternehmen liegt, die Privatnutzung – etwa in Arbeitshandbüchern – zu verbieten. Selbstverständlich muss dies auch in die Praxis umgesetzt werden, das heißt, es sollte zu keiner faktischen Duldung einer Privatnutzung kommen.

Hält sich nun der Mitarbeitende an das Privatnutzungsverbot und handelt es sich bei geschriebenen und empfangenen E-Mails um solche mit betrieblichem Charakter (in adäquater sprachlicher Form) so ist eine Grundrechtsbeeinträchtigung des betroffenen Mitarbeitenden – mit Hinblick auf Vertraulichkeit - kaum denkbar.

Was ist, wenn doch private E-Mails vorhanden sind?

Die Privatsphäre eines Mitarbeitenden könnte hinsichtlich Vertraulichkeit und ggf. Verfügbarkeit beeinträchtigt werden. Zur Verfügbarkeit privater Nachrichten könnte beitragen, dem Mitarbeitenden die Erstellung von Kopien und deren Übermittlung anzubieten – bevor eine Löschung erfolgt. Praktisch bedeutsam wird dies bei Social Media Accounts, E-Mail-Adressen als Wiederherstellungs-Faktoren und dgl. sein.

Die Vertraulichkeit könnte durch ein Vier-Augen-Prinzip, allenfalls durch einen vertrauten Kollegen des ehemaligen Mitarbeitenden oder (wo vorhanden) Betriebsrat, sichergestellt werden. Bei der Auswertung sollte man vor dem Öffnen bereits anhand des Betreffs bzw. Empfängers / Absenders die private Natur erkennen und diesfalls nicht aufmachen bzw. lesen.

Gibt es Sonderfälle?

Die obige Betrachtung geht von einer geringen Risikolage des durchschnittlichen Mitarbeitenden aus. Wenn der Mitarbeitende bekanntermaßen „exponiert“ wäre, bspw.

  • Betriebsarzt
  • Betriebsrat
  • Seelsorger
  • Führt Nebengeschäfte mit dieser E-Mail
  • Nutzt die E-Mail für die ganze Familie…
  • Ist damit politisch aktiv bzw. in Gewerkschaften…
  • Nutzt die E-Mail als „User“ für viele Privataccounts und kann so seine Passwörter nicht zurücksetzen…


würden solche Faktoren die Risikolage zur Verfügbarkeit sowie Vertraulichkeit bedeutend erhöhen. Daher schadet es nie, mit dem ehemaligen Mitarbeitenden das Gespräch zu suchen. Im besten Fall gibt er selbst an, dass einer Öffnung überhaupt nichts im Wege steht.

Und die neuerliche OGH-Entscheidung?

Der OGH hat in 6ObA1/22y vom 28.06.2023 die Frage berechtigter Interessen eines Unternehmens zur Öffnung der E-Mail-Konten, die Erforderlichkeit dieser Vorgangsweise und allenfalls entgegenstehende Betroffeneninteressen genau aufgearbeitet. Die Öffnung könne durchaus auf den Rechtfertigungsgrund „berechtigte Interessen“ gestützt werden und bedürfe es keiner Einwilligung. Somit wurde die bisherige Praxis gewissermaßen „bestätigt“.

Kurioserweise – und wird an dieser Stelle nur der OGH-Beschluss zitiert – erlangte der Geschäftsführer der beklagten Partei bei der Kontoöffnung „Kenntnis davon, dass die Erstklägerin der Zweitklägerin geschrieben hatte, die Beklagte sei „ein Idiotenhaufen“, es sei „zum Durchdrehen“, alle seien unfähig, sie werde „net viel machen“ und sie schreibe gerade Bewerbungen.“

Hintergrund: Zwei Bürokräfte hatten sich via E-Mail über ihren Unmut hinsichtlich der betrieblichen Situation ausgetauscht. Während die eine Dame einvernehmlich das Arbeitsverhältnis beendet hatte – infolgedessen das E-Mail-Konto geöffnet wurde – dürfte es zur Kündigung der zweiten Arbeitnehmerin gekommen sein.

Letzten Endes kann auch Arbeitnehmern geraten werden, die Privatnutzung betrieblicher E-Mail-Adressen (abgesehen von den Richtlinien der Organisation) bleiben zu lassen. In Zeiten kostenloser E-Mail-Accounts, Cloud-Speicher usw. besteht auch keinerlei Notwendigkeit für eine Zweckentfremdung betrieblicher E-Mail-Konten.

Wenn Sie zu diesem Thema weitere Fragen haben, kommen Sie gerne auf uns zu.